Wenn man Usbekistan von Kirgistan kommend durch das Ferganatal betritt, fallen einem sofort die breiten Straßen, die von neuen Häusern gesäumt sind, auf. Ein wenig irritierend ist vielleicht, das alle diese Bauwerke in ihrer eigenwilligen Eleganz ein wenig amerikanisch wirken. Dabei ist man doch in Mittelasien. Doch spätestens in Taschkent lösen sich diese Rätsel von selbst auf. Das ist die Hauptstadt mit einer unglaublichen Monströsität in der Architektur – zumindestens in ihrem modernem Teil – der aber durchaus ein bisschen bei Potemkin entlehnt zu sein scheint.
Frühstücksbuffett im Hotel in Taschkent am anderen Morgen; es gibt dort einen eigenen Tisch für die Heißgetränke. Dahinter ein Hotelmitarbeiter mit weißem Hemd und Fliege, der aus zwei Heißwassergeräten permanent drei Thermoskannen befüllt, aus denen die Gäste dann ihren Tee und Kaffee entnehmen. An der Kanne für grünen Tee schauen zwei Beutelettiketten, aus der für den schwarzen Tee einer. Über den Gehalt an löslichen Kaffee in Kanne Nummer 3 kann ich nichts sagen. Und irgendwie passt zu diesem ausgeklügelten Service perfekt die Gratisflasche Wasser in jedem Hotelzimmer mit der Bezeichnung „Pure Life“. Dabei geht es nicht nur ausschließlich um die Firma Nestle, sondern mehr um die Illusion des in der Moderne Angekommenseins.
Usbekistan ist ein Land auf der Suche nach sich selbst mit den toxischen Altlasten der sowjetischen Geschichte inklusiver ökologischer Katastrophen und dem neuen usbekischen Volksheld Timur Lenk. Auf dessen Denkmal finden sich in Taschkent die markigen Worte „Strength in Justice“. Dennoch gilt er ebenfalls als wichtiger Förderer von Kunst und Literatur, der der Region den Beginn eines kulturellen und wissenschaftlichen Aufschwungs ermöglichte.
Guntram Walter: Usbekistan
100 Seiten, vierfarbig,
28 × 20 cm, broschiert,
print-on-demand
ISBN 978-3-942974-47-9
edition dpe
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