Ostern oder das Ende der Niedlichkeit

Das Mädchen mit den Engelshaaren steht in der Schokoladenmachstube. Plötzlich raschelt es und es sieht die Spitze eines goldenen Ohrs. Und dann kriechen sie hervor, überall haben sie sich versteckt diese unsäglich, niedlichen, verkitschen, das Gefühl verdusselenden Lindthasen;  mit den roten Glöcklein um den Hals.

Aus Fleisch, Blut und Papier ist dagegen, was ich im Londoner East End gefunden habe. Das gehört wohl zur Kunstrichtung Streetart und ist tatsächlich Kunst im Gegensatz zum Schokoladenkitsch; ein überlebensgroßer Hase, ca. 5m hoch und 10 Meter lang. Das ist der wahre Braten.

Das interessante an diesem Bildnis ist die Zweisichtigkeit. Das Bild ist auf ein Tor geklebt, das nach rechts und links Lamellen hat, wobei der Hase als ganzes nur auf den linken Lamellen zu sehen ist. Die rechten zeigen ein ganz anderes Bild, gehen in das Tier hinein und beschreiben in Grundzügen den Blutkreislauf wie ihn auch ein Anatomiekurs Tiermedizin 1. Semester feinsäuberlich sezieren könnte. Und je nach Stand des Betrachters vor dem Bild – am besten von der anderen Straßenseite aus – hat man mehr oder weniger die eine oder andere Sichtweise auf das Tier.

Das ist ein großartiges Kunstwerk geschuldet Banksy oder anderen Koryphäen der Streetart, die aber die Anatomie leicht verfremdet und ihr somit eine eigenständige Note gegeben haben. Denn in diesem Werk sitzt das Herz im Kopf. (Arme Medizinstudenten, steht wohl was Falsches in euren Büchern. Wird nix mit dem Kolloqium.)

Natürlich sitzt das Herz immer im Kopf, ist Motor, Pumpstation, Antriebsaggregat, Kommandozentrale für Ideen-  und Geistesgeschichte, Revolution und Aktion. Der alte Dualismus von Kopf und Herz scheint aufgehoben, die neue Kommunikation zwischen beiden ist einfach unbeschreiblich.

Und radikaler kann Ostern nicht sein.

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