Protokoll Deutschland

Der 7. Mai 2010 war ein ganz gewöhnlicher Freitag. Und doch wird er für lange Zeit in Erinnerung bleiben. Denn an diesem Tag reisten hunderte Fotografen durch ganz Deutschland, um festzuhalten, was vor ihrer Kamera geschah: in Schulen und Wohnzimmern, auf Fußballplätzen und Flughäfen, in Parlamenten und Diskotheken. Sie fuhren über die Dörfer und durch die Großstädte und hielten nach den Momenten Ausschau, die dieses Land repräsentieren. Von Flensburg bis Garmisch-Partenkirchen entstand so eine einzigartige visuelle Bestandsaufnahme: „Ein Tag Deutschland“, festgehalten von den besten Fotografen des Landes und oerganisiert vom Fotografenverband FREELENS.

Nach der Buchveröffentlichung im letzten Jahr ist dieses ganze Projekt jetzt online gegangen und auch ein Jahr nach dem sagenhaften 7. Mai finden sich immer wieder interessante Einblicke. Spannend ist, das im Internetprojekt auch alle die Themen und Bilder Eingang gefunden haben, die ins Buch nicht mehr „passten“. Ich hatte für dieses Projekt vier Themen eingereicht und die sind im folgenden:

07.05.2010, 11 – 12 Uhr: Heilsarmee, Wuppertal
Die Heilsarmee in Wuppertal-Barmen feierte 2010 ihr 120-jähriges Jubiläum. Auf dem Geschwister-Scholl-Platz in Wuppertal-Barmen präsentiert sie sich und ihre Arbeit. Mich interessierte gerade der Besuch zur Eröffnungszeit am Vormittag – jenseits der üblichen Zeiten.

07.05.2010, 13 – 14 Uhr: Maikirmes, Unna
Kirmesbilder gibt es zu hauf, deswegen reizte mich diese „Provinzkirmes“. „Die Maikirmes rund ums Rathaus verspricht Action, Spaß und gute Laune pur. Täglich von 14-22 Uhr wird sich in der Unnaer Innenstadt bei so manchen Besuchern ein wohliges Magensausen und Schwindelgefuhl einstellen“. Naja, glaube nicht der Werbung, denn mittags ist wohl noch überall der Kater zu spüren. Es geht auch am Eröffnungstag (7. Mai) nur ganz langsam los, schön langsam. Action, Freude?? Ich kann sie mir auch abends nicht richtig vorstellen.

07.05.2010, 18 – 19 Uhr: Streetart-Festival, Essen
Mit zahlreichen Events, Ausstellungen, Diskussionsveranstaltungen und Workshops mit zentralen Akteuren der Szene – so präsentierte sich von Mai bis Oktober 2010 das Streetart-Festival ‚Concrete Playground‘ der Dortmunder Agentur Heimatdesign in Zusammenarbeit mit streetwear today/untitled documents in Dortmund, Bochum und Essen. Die Fördermaschinenhalle auf der Zeche Zollverein, Schacht 1/2/8 wurde dabei zur Homebase der Szene, zu ihrem Kommunikationszentrum und Archiv und reizte mich wegen des Gegensatzes zwischen jung und alt.

07.05.2010, 20 – 21 Uhr: Theater, Essen
‚Themselves already hop!‘ portraitiert vier Personen in einem Raum, der ihr Wohnzimmer sein könnte. Inmitten einer Anzahl von Gebrauchsmöbeln und Topfpflanzen spielen sie Karten, lachen, massieren sich, unternehmen Exkursionen durch den Raum und versuchen, nebenbei ein Picknick zu organisieren. Sie verschieben die Einrichtungsgegenstände mit autistischem Ernst und bauen kleine Häuschen. In Wellen wiederkehrende Anstrengungen führen dabei nicht unbedingt zu effizienten Ergebnissen. Was so abstrakt klingt, ist eigentlich eine schöne Allegorie auf Deutschland. So sieht es aus; Hoffnung, Verzweifelung, Werden und Vergehen. In einem kleinen (Theater)raum. Hochkomprimiert. Für mich ist dies ein realistisches Bild Deutschlands.

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