Der Hunger im urbanen, universitären und subventionierten Prozess

Der arme Poet ist das bekannteste und beliebteste Bild des deutschen Malers Carl Spitzweg und eine Umfrage zu Beginn des 21. Jahrhunderts ergab, dass dieses – gleich nach Leonardo da Vincis Mona Lisa – zu den beliebtesten Bildern der Deutschen zählt. So steht es bei Wikipedia.

Vielleicht muß man den armen Poeten aber schon mit dem armen und hungernden Akademiker, Forschenden oder Lehrenden gleichsetzen. Das wäre ein zeitgemässe Adaption, wenn man sich die Feinheiten von Projektauschreibungen im universitären Bereich anschaut. Da werden „interessierte Graduierte, Doktoranden/innen, Postdoktoranden/innen sowie freischaffende Akteure und Produzenten/innen aus Urban Design, Architektur, Stadtplanung, Design, Kunst, Soziologie, Geografie und den Kulturwissenschaften“ für das „UdN-Studio: Wohnen, Forschen, Tätigsein in der Universität der Nachbarschaften“ in Hamburg gesucht.

Konkret heisst es dazu: „Um unsere Fragestellungen, Forschungen und Aktivitäten im Projekt Universität der Nachbarschaften  in Austausch zu bringen und die Perspektive thematisch-inhaltlich zu erweitern, möchten wir andere Stadtforscher/innen in das UdN-Studio nach Hamburg Wilhelmsburg einladen. Von April 2012 bis März 2013 besteht die Möglichkeit, in einem dreimonatigen Forschungs- und Arbeitsaufenthalt an einem eigenen wissenschaftlichen und/oder künstlerischen Projekt zu arbeiten, das sich in Beziehung zur Universität der Nachbarschaften und zum lokalen Kontext setzt.

Für den Forschungs- und Arbeitsaufenthalt stehen in der Universität der Nachbarschaften eine möblierte 40-qm-Wohnung mit Küche, Bad und Garten sowie ein Veranstaltungsraum, ein Küchen-Foyer und diverse Ausstellungs- und Arbeitsräume zur freien Verfügung.

Als Fotograf, Künstler und Blogger, der sich mit urbanen Veränderungsprozessen auseinandersetzt – das derzeit laufende Projekt „Stadtlandschaft 903“ ist so etwas – interessieren mich natürlich solche kreativen Möglichkeiten. Da die Projektausschreibung lediglich aus einem DIN A4-Blatt bestand, erschien es mir geboten, vor Einstieg in die Formulierung eines Exposés – eine Idee hatte ich schon – weitere Informationen über Projekt und Finanzierung zu erfragen.

Das lautete dann wie folgt: „Es ist nicht wirklich schwer für drei Monate einen Lebensmittelpunkt temporär zu verlagern, aber es gibt verständlicherweise immer auch eine Rückkehr in die zuvor bewohnte Heimat nach Ende des Projektes. Dort möchte und kann man nicht wieder bei Null, was Wirtschaftlichkeit und Kundenbeziehungen betrifft, anfangen. Deswegen die Frage, ob es außer der gestellten Wohnung noch irgendwelche weiteren finanziellen Anreize oder Vergünstigungen gibt?“

Die kurze Zeit später erhaltene Antwort war kurz und eindeutig: „ich kann Ihnen nur beipflichten und muss Ihnen dennoch mitteilen, dass zusätzliche Gelder nicht gesichert sind. Vielleicht können wir einzelne Aktionen vergüten, doch dies kann ich Ihnen nicht zusagen.

Damit passt das obige Bild perfekt – eine Schattenhand greift nach einer trockenen Scheibe Brot – die Suche nach Nahrungsmitteln, nach sprichwörtlichen Überlebensmöglichkeiten wird im UnN-Studio Teil des urbanen, universitären und subventionierten Prozesses. Vielleicht sollte ich darauf mein Exposé aufbauen und über den armen und hungernden Akademiker und Künstler am eigenen Leib im Stadtraum forschen.

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