Die Wiederkehr der Konzertmuschel

Ich war schon lange nicht mehr in einem Kurkonzert. Kurkonzert, das ist in der Reminiszenz ein gediegenes Publikum, gediegene Blumenrabatten, gediegene Musik und natürlich die obligatorische Muschel als Regenschirm und -schutz und Schallverstärker. In Duisburg ist jetzt aber fast alles anders. Am Eisenbahnhafen in Ruhrort gibt es jetzt im Rahmen der Ruhrtriennale eine Installation, die einen Teil dieser Reminiszenzen wiederbelebt. „Nomanslanding ist über zwei auf dem Wasser schwimmende Stege von einander gegenüberliegenden Ufern aus zugänglich. Sie umfasst zwei große, bewegliche Plattformen, die sich auf der Wasserfläche allmählich zu einem Dom in Form einer Halbkugel vereinigen. Im so entstehenden Innenraum haben die Besucher teil an einem einmaligen Ereignis: Im allmählich sich verdunkelnden Raum ist eine Sound-Collage zu hören, die nach dem kompletten Zusammenschluss der beiden Teile im live gesungenen Part eines Performers kulminiert.“ Das ist Kuratorendeutsch. Also die verdichtete Konzertmuschel aus alten Tagen, mit Live-Gesang und ein bißchen technischer Inzenierung. Aber dem nicht genug, denn „Nomanslanding fordert seine Besucher zum Überschreiten von Grenzen auf, zum Verlassen des sicher geglaubten Bodens unter den Füßen“. Puuuuh, das ist jetzt Metaphysik, die ins Spiel kommt. Doch diese löst sich sogleich wieder auf, wenn die grünen Zelte an beiden Eingängen der Installation betreten werden, die das Irdische in Form von Schwimmwesten, Sicherheits- und allgemeinen Geschäftsbedingungen mit persönlicher Unterschrift – sozusagen als Eintrittskarte – gegen die kommende sinnliche Erfahrung setzen. Das aber sind Brüche, starke Erlebnisbrüche. Ankündigung und Realität spielen böse miteinander. Aus und vorbei. Und so ist nach Katja Assmann Nomanslanding garantiert keine „sinnliche Erfahrung des Übergangs und führt die Besucher an den Punkt der Ungewissheit zwischen dem Eigenen und dem Fremden.“ Nein, das bestimmt nicht. Es bleibt da wohl bei der temporären Konzertmuschel im Eisenbahnhafen. Vielleicht aber mit einer ganz anderen Botschaft jenseits des Sinnlichen.

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