Lolitas späte Rache

„Rache ist eine Handlung, die den Ausgleich von zuvor angeblich oder tatsächlich erlittenem Unrecht bewirken soll. Von ihrer Intention her ist sie eine Zufügung von Schaden an einer oder mehreren Personen, die das Unrecht begangen haben sollen.“ So steht es bei Wikipedia und so schwebt es auch über Ulrichs Land neuestem Buchtitel „Lolitas späte Rache“ im Oktober Verlag in Münster.

Im vornehmen Montreux, in der Dachsuite des Palace-Hotels finden eigenwillige und unfreiwillige „Sitzungen“ statt. Eine alte Frau wird dort von einer anderen und unbekannten Frau Schritt für Schritt mit ihrer eigenen Vergangenheit konfrontiert. Und diese Vergangenheit gehabt und erlebt zu haben, ist natürlich nicht kostenlos. Es geht um ein Schmerzensgeld in Millionenhöhe. Natürlich ist die hier im Hotel lebende Protagonistin keine Unbekannte, wenngleich nur eine winzige Nebenlinie der Weltgeschichte, die es aber in sich hat. Denn Vera Nabokov, Ehefrau und Muse des gleichnamigen Schriftstellers Vladimir Nabokov, rettete das spätere Skandalbuch mit dem Titel „Lolita“ vor der Selbstverbrennung durch den Autor und ermöglichte so erst diesen Roman hier. Und diese Rezension.

Und so findet 1991 diese denkwürdige Begegnung statt und in Rückblenden, die sich mit Szenen im Hotel in der Gegenwart abwechseln, geht es zurück in die russisch-deutsche Geschichte im ersten Drittel des 20. Jahrhunderts. Ins Zarenreich und die politischen Verwerfungen und Träume danach. In die Familiengeschichte der Nabokovs, die der alte Patriach und Senator glaubte in der Hand zu haben. Nabokov stirbt 1922 bei einem Attentat der Zarentreuen in Berlin. Das ist Geschichte. Eine andere Geschichte ist, das kurz zuvor der Sohn Vladimir auf eine wenig solide Leidenschaft seines Vaters gestoßen ist. Eine schockierende Entdeckung, die er sein Leben lang für sich behalten wird, hat er sich doch ein Mädchen mit seinem Vater unbekannterweise geteilt.

Und so wird dieser Roman zu einer fantastischen Geschichte um die Entstehung des Lolitasujets – neulich fand ich in einem Gasthaus auf der Speisekarte erst einen „Salatteller „‚Lolita'“ mit Bratkartoffen und Spiegelei – und um die Auswirkungen, die mindestens bis 1991 reichen. In die Dachsuite des Palace-Hotels.

Land, Ulrich: Lolitas späte Rache
323 Seiten, Softcover
ISBN 978-3-944369-64-8
Oktober Verlag Münster

Ulrich Land, geb. 1956 in Köln, lebt als freier Schriftsteller in Freiburg und schreibt Lyrik, Erzählungen, Hörspiele und Funkfeatures. Bislang veröffentlichte er fünf Romane, zuletzt „Messerwetzen im Team Shakespeare“. Seine Radiosendungen wurden mehrfach ausgezeichnet. Zusätzlich lehrt er Creative Writing u. a. an der Uni Witten/Herdecke.

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