Circle

Es war ein gewagter Kinoabend: die Verfilmung von Dave Eggers „The Circle“ und danach folgt im gleichen Saal „Revolution of Sound. Tangerine Dream“. Gemacht. Getan. Und irre interessant wegen der Analogien – nicht nur zeitlicher Art – die nicht unbedingt auf der Hand liegen.

Denn manche gesellschaftlichen Utopien der späten 60er sind heute zu Herrschaftsmonopolen verkommen, Informationskartelle nach dem Motto „friss oder stirb“. Und – so lässt sich der erste Film im wesentlichen soziologisch kurz zusammenfassen – ich gucke dem neuen Feudalismus beim Funktionieren zu. Das sind Streicheleinheiten über Streicheleinheiten zwischen den Mitgliedern einer abgehobenen Gesellschaft, die im luftleeren und ideologieunkritischen Raum schwebt. Was ist eigentlich das Ziel; noch mehr Likes, noch mehr Mitglieder frei nach dem Motto halte den Menschen mit einer nicht statischen Botschaft in Bewegung wenn Du ihn beherrschen willst. Und so ist der filmschnelle Wandel von Mae vom Beginner zur geläuterten Person nach einer öffentlichen Selbstbezichtigung, die nur zu gut auch an historisch autokratische Systeme erinnert, mehr als unglaubwürdig. Da dreht sich Emma Watson ziemlich im Wind. Ihre Trauer und Tränen sind nicht wirklich echt und ihre Plädoyers irgendwie einstudiert. Und der Anarchieeinbruch am Ende des Films als sie von den Chefs von „The Circle“ die gleiche Offenheit für alles fordert, kommt irgendwie wie ein Königsmord rüber – man denke in politischer Ecke an Kohl und Merkel – und ändert nicht das System, sondern macht es höchstens effektiver. Da tun sich Buch und Film mit ihrer hölzernen Konstruktion nichts. Bieten keinerlei Lösung an. Wenn es diese denn überhaupt gäbe.

Interessant in diesem Zusammenhang gewissermassen eine Off-Topic-Frage wer dieses System jenseits der Ideologie des Neuen eigentlich am Laufen hält; nämlich der Arbeiter, der Handwerker, der aber nicht vorkommt. Diese Gesellschaftsschicht, die wir so an unser aktuelles Lebenssystem außerhalb von „The Circle“ bereits angebunden haben, das sie Messinstrumente in den Schuhsohlen hat (bei Amazon), die Inaktivität, also nicht Laufen, u.a. in Abmahnungen umsetzt. So gelesen in „Zeit online“ vor einigen Tagen in einem Interview mit ver.di-Chef Frank Bsirske. Das ist Feudalismus pur und leider keine Utopie mehr.

Ja, die Utopie und Reminszenz, die im Herbst immer in Form eines großen Warenhauskataloges der Fa. Manufactum daherkommt. „Es gibt sie noch, die guten Dinge“ ist das eingängige Motto, und die Bestellungen werden noch nicht über Amazon ausgeliefert aber bestimmt mit ähnlichen Fließbandstrukturen aber hoffentlich anderen Schuhen. Vielleicht wäre das aber genau das klangliche Experimentierfeld in Sachen Töne des gerade gestorbenen Holger Czukay von Can oder Edgar Froese von Tangerine Dream. Und damit bin ich beim zweiten Film. „Revolution of Sound.Tangerine Dream“ ist die dokumentarische Geschichte eines gewaltigen, Klanggemäldes, das einen ganz anderen Geist atmet. Und das irgendwie menschlich individuell suchend ohne kollektive Weltverbesserung auskommt. Das war dann ein schöner Kinoabend und man bleibt nicht nur in Utopien – pardon Dystopien, bei denen wir alle fleißig mitmachen – gefangen. Und so heißt es am Ende von „Revolution of Sound“: „Es gibt keinen Tod. Es ändert sich nur die kosmische Adresse.“ Das ist auch gut so. Dann brauche ich den auch nicht abzuschaffen (Calico) und kann meinen Weltverbesserungswunsch in die Tonne kloppen. Genau wie den ersten Film mit Mae.

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