Über Ikonografie

Das Kollektiv raumlaborberlin, das ich schon seit der Eichbaumoper 2009 in Mülheim kenne, hat wieder einen temporären urbanen Raum als Besucherzentrum und Begegnungsraum für die Ruhrtriennale vor der Jahrhunderthalle in Bochum konzipiert und errichtet. Dazu wurde wie auch schon 2018 die verwendete Transall mit ihren Einzelteilen der Bundeswehr weiter filletiert. Tatsächlich fiel dieses Wort bei der Eröffnungveranstaltung, das erst einmal fremd klingt, weil man es semantisch eher im Kulinarischen ansiedelt. Wenn man Filettieren ganz allgemein aber als Verfeinern, Konzentrieren oder auf den Punkt bringen versteht, ist indiesem Jahr ein großer achteckiger Raum entstanden von dem aus sich als Mittelpunkt z.T. begehbare Flugzeugteile inklusive Cockpit in alle Richtungen hinaus erstrecken, die als Bar, Wohnlandschaft oder Videowand, etc. fungieren. Das ist wirklich großartig und erinnert von seiner Ikonographie sofort an an ein sakrales Bauwerk, wie etwa Kirche oder Moschee. Und diese befindet sich auf dem Platz vor der monumentalen Jahrhunderthalle in bester Gesellschaft.

Vielleicht bedarf es gerade in Zeiten der allgemeinen (deutschen) Verunsicherung vermehrt in vielfacher Hinsicht nach offenen Räumen, die sich doch so leise und schleichend aus dem Staub machen. Und ich meine damit gar nicht wirklich Großes, sondern stelle nur die grundsätzliche Frage, wo schon Distanz, Abschottung etc. anfangen und wo der Kapitalismus und die Internetökonomie mit ihren privaten Heilsversprechen einen Anteil hat und wie Halteleinen gepflegt werden müssen und können. Und da kann „Third Space“ sicherlich einen guten und temporären Beitrag leisten. Allerdings finde ich die Ikonografie der Installation irgendwie unvollständig. Denn schon beim Betreten des Raumes merkte ich sofort, das mir der Himmel auffiel, ja auch störte; der Himmel hier – die Decke – besteht aus Lichtsystemen, Beamer, etc. Das ist mir irgendwie zu pragmatisch, zu technisch, vielleicht zu modern, wenn auch verständlich. Denn mir schwebte spontan ein anderes Bild im Kopf. Und ich war in Sekundenbruchteilen bei den großen Moscheen und Mädressen mit ihren gigantischen Kuppeln und darin enthaltenen Kosmologien, die ich auf einer Reise vor einigen Jahren in Samarkand in Usbekistan gesehen hatte und in einem Fotobuch verarbeitet habe. (Usbekistan, ISBN 978-3-942974-47-9, edition dpe) So etwas hätte ich mir hier gut vorstellen können. Was eine wunderbare Fremde und Verrätselung aber eine auch weiter- und tiefergehende Ikonographie hätte sein können.

Vielleicht hat Friedrich Freiherr von Hardenberg, genannt Novalis, das schon immer gewusst. Denn bei ihm finden sich die wunderbaren Zeilen: „Ist denn das Weltall nicht in uns? Die Tiefen unseres Geistes kennen wir nicht“ (Novalis, „Blüthenstaub“). Und ich ergänze: Aber wir können suchen.

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