Gloria Gaynor sang das 1984. Heute steht es als Landmarke des gelenkten Individualismus an einem Wolkenkratzer von Schanghai. I Am what I Am ist auch der erste von sieben Kreise – die diversen Höllen von Dante lassen grüßen – die den ersten Teil des Textes „Der kommende Aufstand“, den ich an diesem Wochenende unter den dunken Furchen von Carmen gelesen habe.
Dessen vermuteter Schreiber Julien Coupat wurde, unter Verweis auf das Buch wegen Verdachts auf „Bildung einer kriminellen Vereinigung mit terroristischen Zielen“ in Frankreich verhaftet und monatelang in Untersuchungshaft gehalten, ohne dass sich Beweise gegen ihn finden ließen. Im Moment geistert der Text durch die deutsche intellektuelle Kulturlandschaft und es macht richtig Spaß ihn zu lesen.
Der Text, den es als Buch bei der Edition Nautilus gibt, liefert eine ernüchternde Bestandsaufnahme des gegenwärtigen Systems. Dabei geht es nicht um Frankreich oder ein klar definiertes Land, denn im Zustand der Globalisierung sind alle Methoden und Verhaltensweisen systemübergreifend. Brauchtum, irgendetwas lokales, hat es schwer gegen die Gesetze der Bürokraten und muß dann wieder ausdrücklich geschützt werden.
„Das Abendland, das ist heute ein GI, der in einem Abraham M1 Panzer nach Falloudja rast und volle Pulle Hardrock hört. Es ist ein Tourist, der verloren mitten in den Ebenen der Mongolei von allen verlacht seine Kreditkarte umklammert wie den letzten Strohhalm. Es ist ein Manager, der auf nichts schwört außer auf das Spiel Go. Es ist ein junges Mädchen, das sein Glück bei Klamotten, Männern und Feuchtigkeitscremes sucht. Es ist ein schweizer Menschenrechtsaktivist, der um alle vier Ecken des Planeten reist, solidarisch mit allen Revolten, sofern sie niedergeschlagen werden. Es ist ein Spanier, der auf die politische Freiheit scheißt, seit ihm die sexuelle Freiheit gewährt wurde. Es ist ein Kunstfreund, der zur erstarrten Bewunderung und als letzten Ausdruck des Genies der Moderne ein Jahrhundert an Künstlern darbietet, die, vom Surrealismus bis zum Wiener Aktionismus, darum konkurrieren, wer am zielgenausten auf das Gesicht der Zivilisation spuckt. Es ist schließlich ein Kybernetiker, der im Buddhismus eine realistische Theorie des Bewusstseins gefunden hat und ein Teilchenphysiker, der in der Metaphysik des Hinduismus nach Inspiration für seine neusten Entdeckungen sucht.“
Die Utopie und Lösung heisst dann im zweiten Teil der Schrift Systemverweigerung und Kommunen – Sand statt Öl im Getriebe der immer absurderen Beschleunigung zu sein, Stromzähler abzuklemmen, Waren zu unterschlagen, Sozialleistungen zu erschleichen und auf dieser Basis eine neue Zukunft zu entwerfen – da spürt man den französischen Ursprung des Textes. Damit das Pamphlet aber abzutun, wäre unklug. Denn was was derzeit sich in Deutschland unter den aus meiner Sicht auch metaphorischen Begriffen S21 oder Gorleben sammelt, hier werden nun Dinge benannt und das Bauchgefühl bekommt endlich eine Richtung. I am what I am – auch im Widerstand.
„Nur wir, die in Betonklötzen zur Welt kommen, in Supermärkten Obst pflücken und im Fernsehen nach dem Echo der Welt Ausschau halten, bringen es fertig, geduldig die Enzyklopädie des Desasters zu erstellen.“ Unsichtbares Komitee.