Märchenstunde

In den Märchenbüchern der Gebrüder Grimm oder auch bei Hans Christian Andersen gibt es am Ende immer so schöne, abschließende Sätze. Der Drache, ersatzweise auch die Hexe, ist tot, die Kinder sind unter der Haube und alles andere Böse ist nicht mehr. Aber das oder ein Ende (des Märchens) schon. Und dafür muß eine Lösung her. Und die klingt dann wundersam versöhnlich: „Und wenn sie nicht gestorben sind, dann leben sie noch heute“ – in Harmonie, etc. Ist so etwas wie Ende offen und Poesie und Phantasie, ein ungefähres Handeln nach Plan und Folge. Man weiß es nicht genau und will es auch nicht alles wissen.

Dieses Ungefähre passt aber nicht wirklich noch in unsere Zeit. Heute will man alles wissen, im übersteigerten komperativischen Sinne immer Mehr-Wissen. Und so folgt aus der Unschärfe der Lebensumstände des Satzes der Gebrüder Grimm die Schärfe und Einschätzung wie sie im Rahmen einer „Religion des Teilens und Helfens“ von den modernen kalifornischen Technologie-Religionsgesellschaften verbreitet wird. Die Facebook-Chefin Sheryl Sandberg sagte etwa auf dem Weltwirtschaftsforum in Davos dazu: „Heute haben vier Milliarden Menschen auf der Welt keinen Internetanschluß. Bekommen sie einen, wird ihr Leben produktiver, länger und gesünder.“ Das ist dann das neue und aktuelle Version des „und wenn sie nicht gestorben sind, dann leben sie noch heute“. Jakob Grimm würde sich bestimmt freuen. Nein. Bestimmt nicht.

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