Verweile doch

Das muss schon für Joseph Meyer schwer sein zu ertragen, das nämlich sein Lebenswerk, kleine Ausgabe, zum Mauerschmuck wird und sich in seiner Gesamtheit prostituiert. Für nichts und wieder nichts. Geschenkt. Das ist dann die Einsamkeit des Wissens oder die Einsamkeit des Wissenden, wer weiß es. Das geht jetzt die Wuppertaler Literaturzeitschrift Karussel an, in dem sie ihrer nächsten Ausgabe ein Faustzitat zugrunde legt. Die Ausgabe 7, die im November 2017 erscheinen widmet sich dem Thema „Verweile doch“.

„Goethes Faust ist ein Getriebener. Sein Erkenntnisdrang, der nie befriedigt werden kann, sein Streben nach Gottähnlichkeit gleichen einem Fluch. In seine Ruhelosigkeit mischen sich lähmender Lebensüberdruss und Ermüdung. Sein Alter Ego, der Teufel, bietet an, ihm beides zu nehmen, indem er ihm die diesseitige Welt in ihrer ganzen Fülle zeigt wie sie »noch kein Mensch gesehen«. In seiner Überheblichkeit willigt Faust in die Wette ein. Er glaubt nicht daran, dass der Teufel ihn an einen Lebensmoment bannen kann, der ihm zugleich seine Endlichkeit aufzeigt. Seinsfülle, reine Gegenwart – das wäre das Glück. »Werd ich zum Augenblicke sagen / verweile doch! du bist so schön! / Dann magst du mich in Fesseln schlagen, / Dann will ich gern zugrunde gehn!«

Wir alle kennen es: ein Prickeln auf der Haut, plötzlich fühlen wir uns glücklich – ein Zeitprisma –, und sobald wir es festgestellt haben, ist das Glück wieder fort. »Frage dich, ob du glücklich bist, und du hörst auf, es zu sein«, so der Philosoph John Stuart Mill. Glück ist flüchtig, wir erleben es nur im Moment. Die Reihen der Ratgeber in den Buchhandlungen sind lang. Überall offenbart sich das Verlangen nach dem einen Augenblick, der lebensbestimmend sein kann, den man beim Schopf packen möchte wie den Kairos, den Gott des günstigen Augenblicks aus der griechischen Mythologie. Doch dieser ist am Hinterkopf kahl, weshalb man ihn auch nicht mehr aufhalten kann, ist er einmal vorüber.

Das Verlangen nach Glück kann süchtig machen. Charles Baudelaire wusste ein Lied davon zu singen; weil das Glück ihn nie aufsuchte, wie er meinte, half er mit Opium nach. Gurus empfehlen, vom Denken abzulassen. Über Meditation erfahre man so Phasen eines Zustandes, der nichts will und nichts abverlangt, einen Zustand in der Schwebe. Ist das Glück?
Sicherlich kann es jedem begegnen. Ein Obdachloser mag Glück erfahren, wenn nachts über ihm eine Sternschnuppe am Himmel zackt oder eine späte Passantin ihn anlächelt. Gibt es Glückliche auf dem Totenbett?“

Gesucht werden Texte zum flüchtigen Glück in rauen Zeiten wie diesen. Erwünscht sind bisher unveröffentlichte Texte. Bei veröffentlichten Texten liegt es in der Verantwortung des Autors, etwaige rechtliche Einschränkungen im Vorfeld auszuräumen und dies schriftlich mitzuteilen. Die Manuskripte müssen frei von Rechten Dritter sein. Die Texte sollten idealerweise einen Umfang von 4 Seiten haben, 10 Seiten maximal jedoch nicht überschreiten. Die Redaktion behält sich Kürzungen in Absprache mit den AutorInnen vor.

– Bei Annahme gilt die eingereichte Textfassung als Druckfassung.
– Schriftgröße 12 / Zeilenabstand 1,5 / Max. 30 Zeilen / Dateiformat: doc.
– Kurzvita mit Namen, E-Mail und Anschrift bitte beifügen.
– Es besteht kein Anspruch auf Veröffentlichung. Alle veröffentlichten AutorInnen erhalten als Honorar zwei Belegexemplare.
– Einsendungen erbeten bis zum 31. August 2017 an die Mailadresse: karussell-redaktion@online.de sowie zusätzlich in 3-facher Ausfertigung an die Postadresse: Karussell-Redaktion, z.H. Torsten Krug, Hünefeldstr. 81, 42285 Wuppertal

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