Schon Thomas von Aquin redete von Totsünden. Das waren sieben an der Zahl und das und die waren schlimm genug, nicht vielleicht für den Einzelnen, aber vermeintlich für das Gemeinwohl. In der modernen, aufgeklärten Informationswelt kommt noch eine dazu und die heißt: Individualismus.
So erklärte Google-Chef Eric Schmidt Ende vergangenen Jahres in einem Fernsehinterview, wer etwas tun wolle, von dem andere nichts erfahren sollten, möge es besser gleich bleiben lassen. Denn alles ist findbar und die menschliche Schwäche des Vergessens (und wahrscheinlich auch die menschliche Stärke des Verzeihens) gehört der Vergangenheit an. Aus Sicht des Unternehmenschef macht das Sinn und deswegen kann man Schmidts Bemerkung auch als Ermahnung lesen, künftig ein regelkonformes Leben zu führen. Und das heißt jede Handlung auf mögliche Folgen in der Zukunft abzuklopfen. Puuh, ist das grau und menschenverachtend. Wer aber definiert die Regeln? Läßt ein schlecht geschnittener Rasen und Wäsche auf der Leine hinter dem Haus aus amerikanischer Sicht schon auf eine Spur zur Verwahrlosung schließen?
Nicht viel anders steht mit Marc Zuckerberg: „Niemand vertritt diesen moralischen Rigorismus so entschieden wie Mark Zuckerberg, der Erfinder von Facebook. Er will die Welt offener machen – und ehrlicher. Durch das Internet. ‚Die Zeiten, in denen man seinen Kollegen bei der Arbeit eine Persönlichkeit präsentieren konnte und seinen Freunden eine ganz andere, diese Zeiten werden ziemlich bald vorbei sein.‘ Zuckerberg hält das für eine erfreuliche Perspektive: ‚Zwei oder mehr Identitäten zu haben beweist einen Mangel an Integrität.'“ (Die Zeit 19.08.2010) Das jedoch wäre jedoch das Ende des Ambivalenten, des Schillernden, des Wechsels zwischen diesem und jenem Image.
Schade, warum haben derartige Persönlichkeiten wie Schmidt und Zuckerberg immer einen solch radikalen und tyrannischen Gestaltungswillen, der positiv zelebriert dann aber nur von wirtschaftlichen Leitlinien bestimmt ist und ähnlich gesellschaft bestimmend sein wie es das Prinzip der Totsünden war, zumindestens für Katholiken im Mittelalter.
Aber es gibt eine wichtige Hintertür beim Kirchenlehrer: Der Widerstand (und nicht nur das) gegen den Tyrannen ist erlaubt. Wenn Herrschaft nicht rechtmäßig ist, oder auch durch Unrecht erzwungen wird, dann sind die Untergebenen nicht verpflichtet zu gehorchen. Und das ist bei Schmidt und Zuckerberg nicht anders und darf aber nicht an der Bequemlichkeit des Einzelnen („Ist das ein praktisches, kostenloses Programm“) scheitern. Denn sonst sind wir im alten Rom bei Brot und Spielen. Über weitere und andere Formen von Widerstandes und zivilen Ungehorsam wird noch zu diskutieren sein.