Nie wieder

Was für ein Wochenende, das sich an einem „nie wieder“ aus der deutschen Geschichte berauschte und sich im Spiegel der eigenen Wahrnehmung und Weltsicht betrachtete. Ich weiß, das das Thema schwierig und vielfach mehrdeutig ist und so sich jeglicher Eindeutigkeit (auch einer Eindeutigkeit von schreienden Massen) verschließt. Und diese prägt leider die aktuellen Debatten. Denn eine Forderung wie „nie wieder“ – so sinnvoll sie aus einem historischen Kontext gesehen nun sein mag – ist aber nicht auf jeden Fall sich auf ewig selbsterhaltend. Und eine restaurative Erinnerungskultur, die ihre Legitimation ausschließlich aus dem Rückwärtsblick erhält, wird es um so schwerer haben, je länger die sie stiftenden Ereignisse vorbei sind. Praktisch gesehen heißt das, das die „oral history“ einfach ausstirbt. Und dann? Mit dem gleichen Problem – ohne das dazu Prozeßakten überliefert sind – hatte die junge christliche Kirche in Palestina nach Tod, Auferstehung, Himmelfahrt und Pfingsten ihres Stifters zu tun. Denn auch für so einen prägnanten Satz aus der Bibel wie „Geht hinaus in alle Welt und verkündet das Evangelium allen Geschöpfen“ (Mk 16,15-20) gibt es im ersten oder vierten Jahrhundert unserer Zeitrechnung neue und ganz andere Deutungsräume. Denn die Vorstellung einer Naherwartung des Himmelsreichs veränderte sich natürlich proportional zur verstrichenen Zeit. Dem Warten der jungen Gemeinde musste ab irgendeinem Zeitpunkt ein neues Sinnsystem (des Erwartens) gegeben werden, da immer weniger Gemeindemitglieder noch Zeugen der Ereignisse waren. Und da ist man schon wieder in der Gegenwart. Hier herrscht eine extreme Ratlosigkeit in der Umgangsdebatte. Ich schließe ich mich dort auch nur bedingt aus.

Vielleicht ist aber der aktuelle Zustand gut mit Stillstand zu beschreiben. Oder Aussitzen, was nicht wirklich Neues wäre! Zumindestens drängt sich mir dieser Eindruck auf, wenn ich mich an die sprachlich dürren Worte (Tonfall und Inhalt) des Bundeskanzlers am vergangenen Wochenende zum Jahrestag der Ausschwitzbefreiung zurückerinnere. Fest steht für mich aber, das jeglicher sakrosankter Begriff, der nicht ihre selbige Existenz gefährdet, für eine Demokratie grundsätzlich gefährlich ist. Vielleicht muß man an dieser Stelle anfangen. Vorsicht, das kann weh tun. Und Schmerz erzeugt bekantlich Gegenwehr, die den Schreiber in verschiedene Schubladen abdrängen könnte. Damit wäre man aber selber dem eigenen System erlegen.

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