Über Kuratoren

Ich erschauere vor Achtung und Radikaltät einer Personengruppe, der die Wochenzeitung „Die Zeit“ in der Ausgabe 26/2017 einen Artikel unter dem Titel „Schafft die Kuratoren ab!“ widmete. Nein, das tue ich nicht wirklich, denn mir halt noch von einer meiner der letzten Ausstellung lange der gewichtige Satz im Ohr nach: „Höherhängen, noch höher; ich bin die Kuratorin“. Und so könnte man hier mit einem Satz aus dem gesagten Zeitungsartikel von oben wunderschön antworten und alles wäre still und gut. Dieser Satz lautet: „Überwindet das Kuratieren, beteiligt die Betrachter, demokratisiert das Ausstellen!“ Das gilt insbesonders auch für das große Kunstereignis des Jahres 2017, die documenta in Kassel. Und es sind nicht die gerade erlebten 48 Stunden Dauerregen, die hier ein komisches und zwiespältiges Gefühl hinterlassen sondern das undemokratische Ausstellungskonzept, das offenbar ohne weitergehende Lektüre nicht seine tiefsten Schätze freigibt. Das ist mir aber zu wenig. Sicher als Germanist kann man hier viel lernen. Wörter über Wörter – alles Neuschöpfungen wie z.B. „präzise Achtlosigkeit“ (Lois Weinberger) oder „Fluchtzieleuropahaverieschallkörper“ (Guillermo Galinda) um mit diesen dann flux den Berg hinauf zur Grimmwelt Kassel zu eilen, und sie dort den Gelehrtenbrüdern unter ihre Zettelkästen zu mischen und zu gucken, wie sie sich zeitgeschichtlich einordnen lassen und was aus ihnen wird.

Ähnliches gilt für das Motto der Kunstschau „Lernen von Athen“. Man möchte auch hier schon einen winzigen und schnellen Blick in die Glaskugel wie die eines Märchens werfen wobei zeitgeschichtlich das Warum des Lernens von X nicht wirklich diskutiert wird. Was lernt man denn von Athen in Kassel? Im Fridericianum und der documenta-Austellungshalle jedenfalls lernt man sich mit einem Fremdheitsgefühl herumzuschlagen wegen der griechischen Übermacht der Kunst und weiterer älterer Sammlungen – ist das etwa eine politische Botschaft? Vielleicht, wenn diese dann – nach weitergehender Lektüre dann heißen soll, das ich Obdach gebe – fragen wir hierzu die Gebrüder Grimm noch einmal – für ein noch nicht fertiges Museum in Athen, genannt EMST. Damit entfällt aber eine weitergehende Bewertung der Arbeiten, da ja bereits ein musealer Kontext vorhanden ist. Wirklich Neues und Spannendes bleibt außen vor. Oder ist so abgedreht und verkopft, das wieder der Sprachwissenschaftler als Satz- und Verständnisformer bemüht werden muß. Die Werkbeschreibung des Werkes „Ruderal Society“: Exacavating a Garden“ – im Prinzip ein ausgehobener Graben von 20 cm Tiefe und einem Hügel mit dem Aushubmaterial – beginnt mit den Worten „Die Verbindung von Natur und Gesellschaft in präzisierter Achtlosigkeit – leidenschaftlich und doch distanziert – zu verfolgen sowie dabei zu sein, ist meiner Arbeit inhärent. Das ursprüngliche Konzept bleibt als vages Gerüst. Weder innerhalb noch außerhalb meines Feldes existiert so etwas wie Sicherheit. Was konstant bleibt, ist das Bewegte bis hin zum Verlassen – wie das Eigentliche der Blüten, die Insekten sind, so liegen die Gärten im Unterhalb. Man gräbt sie aus und steigt in sie hinab (…)“

Vielleicht werde ich das morgen auch noch einmal tun. Die Wettergötter – aus Griechenland (?) – scheinen etwas weniger missgestimmt zu sein, so das eine Wanderung zu anderen und vielleicht auch spannenderen Projekten dann leider an Peripherie der documenta durchaus gestartet werden könnte.

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