Auf den diversen Spaziergängen, die meinem Fotobuch „Stadtlandschaft 903“ über Duisburg vorangingen, fand ich dieses Schild in Marxloh; eine treffende Beschreibung des Umgangs mit dem Ruhrgebiet, hier bestimmt aus den vor 1990er Jahren.
Ich finde, das der Satz immer noch seine Gültigkeit hat, nur das der eine Akteur – hier Bonn – ausgetauscht, bzw. durch Tourist, Gast, Bewohner, Planungsstäbe, etc., ersetzt werden muß. Denn alle Akteure machen einfach immer so weiter, üben sich schön im Gebrauch der Killerphrase „Ham‘ wir immer schon so gemacht“.
Das zeigt sich in der großartigen Ankündigung eines Jubiläums auf Plakatwänden oder in Form von geplanten „Local Hero“-Wochen. Man feiert, sich, und die Schönrederei eines einmal visionären Projektes – vor 25 Jahren und aus IBA Emscher Park-Zeiten. Einst und jetzt. Ich war dabei – an diesem heißen 29. Mai 1999 mit der Inzenierung von Kain Karavan in einer Gewitterkulisse vor dem heutigen Designzentrum auf Zollverein in der Dämmerung abends.
Herzlichen Glückwunsch „Route der Industriekultur“!
Dabei ist die Beschilderung dieses Rundkurses in schlechtem Zustand, Schilder sind verblichen, mit Graffiti versehen und mir ist auch in den letzten Wochen vor den Geburtstagsfeierlichkeiten keine diesbezügliche Aktivitäten aufgefallen. Unnötig zu erwähnen, das die Landmarke eines Panoramas mehr oder weniger seit über 10 Jahren gesperrt ist; ein anderes rutscht gerade ab, usw. Gut das der in Bau befindliche Radschnellweg RS1 (17km seit 2010) nicht zur Route gehört, sonst musste ich an dieser Stelle mühsam nach weiteren beschreibenden Worten suchen.
Aber vielleicht geht es nach 25 Jahren wirklich nur noch um die Zentrifugalkraft von einzelnen, pflegeleichten Leuchttürmen. Alles andere wird abgeworfen oder ausgestoßen, bestenfalls mitgeschleppt. So jedenfalls verstehe ich eine das Jubiläum begleitende Fotoausstellung in der Kohlenwäsche der Zeche Zollverein, die einem an Gleichförmigkeit und Langweile betroffen macht. Es lebe die Idylle, dieser Umgang mit Geschichte, der sich am besten mit den Worten „Wir haben es geschafft – wir sind angekommen – dabei bleibt es“ beschreiben lässt. Da kippste ausse Latschen!
Dabei ließe sich der hier angedeutete Begriff des Erbes auch ganz anders definieren in dem Sinne nämlich, das dieses dasjenige ist, womit wir uns zukünftig auseinandersetzen müssen, wenn wir überleben wollen und verstehen wollen, wer wir sind und wie wir dazu geworden sind. Und das ist dann die kreative Auseinandersetzung mit dem Anderen – das ist viel mehr als nur Event! – mit den vielen Brüchen, die diese „multi-contaminated megasites“ wie das Ruhrgebiet ausmachen.
In Horst Krügers „Bilder aus dem Ruhrgebiet“ von 1969 finden sich die folgenden, die Region aus der damaligen Perspektive gut beschreibenden Sätze: „Das Ruhrgebiet ist eine erzkonservative Landschaft mit etwas schlechtem Gewissen dazwischen. Zwischen dieser grauen und tristen Welt aus Hochöfen und Kühltürmen, aus Schuppen und Schächten gibt es Inseln atemloser Modernität, Anfälle, die verlorene Zeit nachzuholen. Es gibt Einsprengsel von New York und Brasilia im Sauerland, eine Ausstellung isolierter und bizarrer Zukunftsmodelle auf freiem Feld. Es lohnt sich heute auch für den Freund phantastische Architektur, durchs Ruhrgebiet zu reisen. Das Revier ist immer eine willige, passive Welt gewesen. (…) Es nimmt auch diese Einbrüche krasser Modernität, diese plötzlichen Schübe des Nachholenwollens gelassen hin. Man muss etwas tun im Ruhrgebiet, sagte die Stimme des schlechten Gewissens zuweilen. Man muss etwas unternehmen, etwas ganz Neues und noch nie Dagewesenes. Hier ist doch ein großes Feld für Experimente. Von Zeit zu Zeit überfiel die Raumordner, die Bürgermeister, die Stadtplaner diese Stimme des schlechten Gewissens. Sie erzeugte jene Inseln verwegener Zukunftsmodelle, die mit zum verwirrenden Bild des Reviers heute gehören. Trostlos, uralt und verrottet und dazwischen gelegentlich hinreißend modern – erst das ergibt die Wahrheit des Reviers.“
Diese Inseln sind aber inzwischen verschwunden, untergegangen, vielleicht wie das kleine Dorf Alsum im Duisburger Norden im Rhein versunken ist. Der Besucher wundert sich auf der Matenastraße noch über die Reste einer Straßenbahn Meterspur westwärts Richtung Rhein.
War da mal etwas?