Meiden Sie Weihnachten, wenn Ihnen das Leben lieb ist

Gerade wiedergefunden habe ich diesen 10 Jahre alten Weihnachtstext (geschrieben 1999) und den ich hier der besinnlichen Runde vortrage – also passend zu diesem 4. Adventssamstag – und nach der Logik der Werber, wie gerade geschehen, könnte man aber sícher auch aus dieser Tragik heraus zur finalen Präsentation eines Lebensgefühl kommen.

Meiden Sie Weihnachten, wenn Ihnen das Leben lieb ist
Soviel Glück muß man haben in diesem Gewühle, die richtige Handtasche, das richtige Parfüm, Dessous in das richtige Kunststofftransportbehältnis abgefüllt. Was schenkt man eigentlich Männern? Ab DM 199.- wird das Lächeln der Verkäufer größer, die in Umsatzgrößen und Abteilungskennzahlen denken und als individuellen Dank the-special-vip-plastic-bag überreichen um dann zum nächsten VIP zu eilen. Heute sind alle VIPs (Anblick: dick, häßlich und alt) oder halten sich dafür (schön, jung, schlank…..) Spieglein, Spieglein an der Wand, wer…? ICH!! Da muß man das Glück haben, schnell durchzukommen, von Duftwolke zu Duftwolke: Chanel No.5, Hattrick, Cool Water und das Glück ist einem danach in die Augen geschrieben. Das ist der reinste Orgasmus. Alles bekommen: die Aufgaben, die auf kleinen Zetteln malerisch aufgetragen worden sind, gelöst und ERLEDIGT. Herr und Kollegen X, mit Tochter, Gemahlin, FREUNDIN(?) gesehen und aus Langeweile gefolgt und beim Einkaufen zugeschaut …… etwas delikat, aber aufregend und interessant. Das würde man selbst sicher so nicht kaufen, gewagt. Diesen doch etwas absonderlichen Geschmack hätte man dem doch nicht zugetraut, kann man ja irgendwann einmal zur Sprache bringen. Naja, so ist das im Leben. Fort und voran geht es. Tritt zu und schnell weg, Stern kassiert und das-Mehr-Geld: neuer Schreibtisch, neues Telefon, neue Sekretärin. Jetzt aber bloß weg. Damit man nicht gesehen wird. Denn Gefahr im Verzug lauert überall. Aber warum jetzt an Gefahr denken. Und voll Glück über Einkauf, Treffen, und das Leben an sich sind auch die von Tränen geweiteten Augen, als sich die Polymerketten eines Nylondrahtes am künstlichen Himmel plötzlich in die Opposition verabschiedeten und den an ihnen baumelnden Engel mit schwerem Geschenksack die Freiheit wiedergaben und der mit halb angelegten Flügeln erst in einen leichten, dann immer schneller und steiler werdenden Sturzflug überging. Die Landung erfolgte bereits wenige Sekundenbruchteile später und war nur zum Teil erfolgreich, da der Landegrund plötzlich und unerwartet nachgab und in die Knie ging und von zunehmender Feuchtigkeit, rot, am Kopf geprägt war. Dazu Stille rundherum. Kein Lärm – S c h r e c k e n s s e k u n d e – nur leise ein Weihnachtskonzert (Vivaldi?), das in seiner Ruhe zum Einkauf animieren soll und irgendwo Glocken. Doch die hört der vom Engel Beglückte nicht mehr. Der starrt mit großen weißen, weit aufgerissenen und erstarrten Augen in den sternetriefenden Verkaufshimmel.

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